Heute geht es mir gut. So begann ein mich tief bewegendes und nachdenklich stimmendes Gespräch auf dem Weg zu neuem Wohlgefühl.
Die Abschlussgespräche mit meinen Mentees, nachdem ich sie mehrere Monate ihre Lebens begleiten durfte, sind immer sehr emotional und mit Dankbarkeit gefüllt. So auch dieses Gespräch vor Kurzem mit einem Mentee nach 12 Monaten anfänglicher Achterbahnfahrt und immer bewusster werdenden Klarheit über den eigenen Weg. Mit Einverständnis meines Mentees darf ich hier einige einiger Gedanken anonymisiert wiedergeben, die mich tief berührt haben, weil sie einen Teil unser Gesellschaft widerspiegeln.
“Mir ging es gut – dann war ich am Boden – und heute geht es mir wieder gut.” So begann unser Gespräch nach einem köstlichen Abendessen in einem Hamburger Luxushotel. “Die letzten 12 Monate haben mich Erfahrungen erleben lassen, die ich ohne meinen “Absturz” wahrscheinlich nie oder erst sehr spät erfahren hätte. Denn mein Leben lief gut, wenn wir es an materiellen Dingen bemessen wollen, die wir schnell mit Erfolg verwechseln. Mein kleines Unternehmen mit 16 Mitarbeitern stand wirtschaftlich gut da, privat verheiratet und gesellschaftlich gut aufgestellt. Eine gut getarnte Lebenslüge, wie ich jetzt weiß. Aber wer denkt schon in “guten Zeiten” daran sich persönlich weiterzubilden oder empfänglich für Menschen zu sein, die unglaublich wertvoll sind und doch in Not geraten sind. Ich war es nicht, denn der Erfolg hatte mich blind gemacht. Und dann kam es gefühlt wie ein Tsunami über mich und ich sollte durch meine Ignoranz am eigenen Leibe erleben, wie respektlos wir Menschen in bestimmten Lebensphasen miteinander umgehen.”
Kurzfassung der Geschehnisse: Zuerst verlor das Unternehmen einen Großkunden und innerhalb kürzester Zeit weitere wichtige Kunden. Erste Kündigungen der Mitarbeiter folgten, bis nur noch der Inhaber übrig war. Eine drohende wirtschaftliche Insolvenz konnte zwar abgewendet werden, dafür lies sich aber die seelische und mentale Insolvenz nicht vermeiden. Nachdem auch die Partnerschaft in die Brüche ging, war es Zeit für einen Neuanfang.
“Die größte Lehre habe ich aus der Zeit gewonnen, als ich ganz unten war. Mich zu nichts mehr motivieren konnte, keinen Sinn mehr in meinem aktuellen Leben sah, kein Ziel mehr hatte und ich mir fälschlicherweise immer wieder die Frage stellte: Was habe ich getan, dass mir das passiert? Ein Frage die mich viel Energie gekostet hat und ich in der Zeit doch nie eine Antwort gefunden habe. Heute ist mir klar, dass ich selbst dafür verantwortlich war.”
“Und ich bin dankbar für die Erfahrungen, wie mit mir umgegangen wurde, als ich nicht der gesellschaftlichen Norm entsprach. Wie Unternehmen und auch Menschen, sei es in der Funktion eines Unternehmens und auch privat auf einen einprügeln, wenn man schon am Boden liegt und die weiße Fahne schwenkt. Wie nachgetreten wird, wenn man nicht mal mehr die Kraft hat sich zu krümmen, um sich vor den Fußtritten zu schützen oder sie abzuwehren. Ganz besonders diese verdammte Einsamkeit, wenn man merkt, dass von den vermeintlichen Bekannten, Freunden und Geschäftspartnern keine mehr da waren. Das Ehrlichkeit, die viel Mut kostet, dazu missbraucht wird, den Druck zu erhöhen und das letzte aus einem zu pressen, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Die schwerste Aufgabe war in so einer Situation wirklich Hilfe zu finden. Verstanden zu werden und aufzuarbeiten, was geschehen ist und vor allem Lösungen zu finden und nicht immer und immer wieder bewertet und verurteilt zu werden.”
“Und es gibt sie doch. Die Hilfe. Denn sie sitzt mir heute Abend gegenüber. Sie lieber Herr Lange haben mir Lösungen angeboten, auch in Bezug auf Ihr Honorar, dass ich zu der Zeit wirklich nicht vollständig zur Verfügung hatte. Und Ich habe mehr erhalten, wie ich damals erwartet habe. Zeit, Zuspruch, Halt und Lösungen. Ganz besonders Dankbarkeit für ein wirklich neues Leben. Ein ganz neues Verständnis, worauf es im Leben wirklich ankommt und auf mein Umfeld zu achten. Jetzt darf ich Menschen etwas zurückgeben von der Hilfe, die ich von ihnen erhalten habe.”
Ein für mich wirklich schöner und ergreifender Moment und der wahre Lohn meiner Arbeit als Mentor. Aber auch ein nachdenklicher Moment, warum in unserem Leben das Kind meistens erst in den Brunnen fallen muss, um aufzuwachen. Ganz besonders aber der zwischenmenschliche Umgang, denn jeder kann im Leben “hinfallen”.
Ich danke Ihnen lieber Leser, liebe Leserin für diesen Moment Ihrer Lebenszeit und das Sie meine Gedanken bis hierher gelesen haben. Es gibt eine Sprache, die auf der ganzen Welt gesprochen und verstanden wird und die nennt sich Menschlichkeit. Lassen Sie uns diese Sprache wieder öfter sprechen. Lassen Sie uns diese Sprache wieder lauter sprechen. Denn sie ist der Schlüssel für ein Wir in einer Gemeinschaft, in der wir alle Leben.
HERZlichst,
Dirk-Oliver Lange